Presseerklärung der EU-Kommission
IP/01/1080
Auslaufen des EGKS-Vertrags:
Kommission schlägt neue Regelung
für staatliche Beihilfen im Steinkohlenbergbau vor
Die Regelungen der Mitgliedstaaten für staatliche
Beihilfen zugunsten des Steinkohlenbergbaus(1) enden mit dem EGKS-Vertrag (2)
am 23. Juli 2002. Mit Blick auf das Ziel der Stärkung der Energieversorgungssicherheit
der Europäischen Union schlägt die Kommission heute Maßnahmen vor, die mit der
Schaffung eines Sockels heimischer Primärenergieträger durch die Mitgliedstaaten
in Zusammenhang stehen. Ein solcher Primärenergiesockel bedingt auch die Förderung
oder die Erhaltung heimischer Energieträger in der Gemeinschaft, insbesondere
der erneuerbaren Energien und der Steinkohle. Der von der Kommission verabschiedete
Vorschlag für eine Verordnung des Rates enthält in diesem Kontext Vorschriften,
mit denen die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zugunsten des Steinkohlenbergbaus
nach dem Ende des EGKS-Vertrags geregelt werden sollen. «Es ist wichtig, dass
wir in den kommenden Jahren eine europäische Produktion von Primärenergieträgern
erhalten, um uns gegen die Risiken einer zu starken Abhängigkeit von einer externen
Versorgung abzusichern,» erklärte Loyola de Palacio, Vizepräsidentin der Kommission
und zuständig für Energie und Verkehr. «Die Europäische Gemeinschaft darf ihre
technische Kompetenz und ihre Handlungsfähigkeit nicht verlieren: sie muss die
Voraussetzungen für eine potenzielle Verfügbarkeit der Steinkohle schaffen, die
zusammen mit Maßnahmen zur Förderung der erneuerbaren Energien eine größere Unabhängigkeit
Europas bei der Energieversorgung gewährleisten wird,» unterstrich sie.
Die Europäische Union ist bei der Versorgung mit Primärenergie
immer stärker von Einfuhren abhängig geworden. Wie die Kommission in ihrem Grünbuch
über eine europäische Strategie für die Energieversorgungssicherheit(3) darlegte,
kann die Sicherheit der Energieversorgung durch eine Diversifizierung der Energieträger
nach Herkunft sowie nach Produkten gestärkt werden. Eine solche Strategie
schließt auch die Entwicklung heimischer Primärenergieträger ein.
Das Grünbuch über die Sicherheit der Energieversorgung
unterstreicht in diesem Zusammenhang das Potenzial der erneuerbaren Energieträger,
die bisher nicht ausreichend entwickelt sind. In Anbetracht ihrer Vorteile auch
im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit hat die Kommission am 10. Mai 2000
einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt
verabschiedet(4).
Bei einer Strategie zur Stärkung der Energieversorgungssicherheit
ist jedoch auch die Zukunft der gemeinschaftlichen Kohle zu berücksichtigen. In
diesem Kontext wird im Grünbuch vorgeschlagen, «die Frage zu prüfen, ob der weitere
Zugang zu den gemeinschaftlichen Kohlereserven aufrechterhalten und zu diesem
Zweck minimale Produktionskapazitäten beibehalten werden sollten».
Um einen Rahmen für die Zukunft der gemeinschaftlichen
Kohle zu schaffen, hat die Kommission heute auf Vorschlag ihrer Vizepräsidentin
Loyola de Palacio einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über staatliche
Beihilfen für den Steinkohlenbergbau nach dem Ende des EGKS-Vertrags angenommen.
Trotz aller Anstrengungen zur Modernisierung, Rationalisierung
und Umstrukturierung ist der größte Teil der gemeinschaftlichen Steinkohleproduktion
gegenüber den Einfuhren aus Drittländern nicht wettbewerbsfähig. Die Einbeziehung
der gemeinschaftlichen Steinkohle in ein Konzept zur Verringerung der Risiken
bei der Primärenergieversorgung der Union setzt daher voraus, dass die Mitgliedstaaten
für diesen Sektor Beihilfen gewähren können. Diese Beihilfen werden die Erhaltung
eines Zugangs zu den Steinkohlevorkommen ermöglichen und tragen somit dazu bei,
dass bestimmte Kapazitäten der gemeinschaftlichen Kohleproduktion verfügbar
bleiben, um etwaige Unwägbarkeiten des Energiemarktes langfristig abzufedern.
Die Erhaltung einer Minimalproduktion an subventionierter
Steinkohle aus Gründen der Energieversorgungssicherheit kann jedoch kein Abrücken
von dem Prozess der Umstrukturierung und der Produktionsverringerung bedeuten,
der den gemeinschaftlichen Steinkohlenbergbau in den letzten Jahrzehnten geprägt
hat. Dieser Prozess muss zur schrittweisen Stilllegung der unwirtschaftlichsten
Schachtanlagen führen, die nicht zu vertretbaren Kosten zum Ziel der Energieversorgungssicherheit
beitragen können.
Der Abbau der Beihilfen im Steinkohlenbergbau wird
den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer budgetären Möglichkeiten eine Neuverteilung
der Beihilfen für den Energiesektor ermöglichen, und zwar nach dem Grundsatz
einer allmählichen Umschichtung der Beihilfen, die traditionell den konventionellen
Energien, insbesondere der Steinkohle, gewährt wurden, auf die erneuerbaren
Energiequellen.
Der Kommissionsvorschlag enthält Maßnahmen, mit
denen sichergestellt werden soll, dass diese notwendige Umstrukturierung des
Steinkohlenbergbaus unter den bestmöglichen sozialen und regionalen Bedingungen
stattfindet.
Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung gilt
ab dem 24. Juli 2002 und endet am 31. Dezember 2010. Sie wird jedoch im Jahr
2007 einer Bewertung durch die Kommission unterzogen, bei der die Kommission
dem Rat Änderungsvorschläge zur Anwendung dieser Verordnung auf Beihilfen ab
dem 1. Januar 2008 unterbreiten kann. Bei dieser Gelegenheit legt die Kommission
außerdem eine Übersicht über die Anteile der verschiedenen heimischen Primärenergieträger
in den einzelnen Mitgliedstaaten vor. Die Kommission bewertet, inwieweit der Sockel
heimischer Primärenergieträger und insbesondere der Anteil der heimischen Steinkohle
im Kontext der Strategie einer nachhaltigen Entwicklung wirksam zur Stärkung
der langfristigen Energieversorgungssicherheit der Europäischen Union beiträgt.
Die Kommission muss ferner den mit der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus
verbundenen sozialen und regionalen Aspekten Rechnung tragen.
Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung
stützt sich auf zwei Grundprinzipien: Schaffung eines Sockels heimischer Primärenergieträger
durch Erhaltung des Zugangs zu den Steinkohlevorkommen und Fortsetzung des Prozesses
der Umstrukturierung. Die Regelung wurde ferner mit dem Ziel entwickelt, die Kohärenz
mit anderen Bereichen der Gemeinschaftspolitik zu gewährleisten.
Die Mitgliedstaaten erstellen einen Plan zur Sicherung
der Steinkohleressourcen, um eine funktionsfähige Infrastruktur, die fachliche
Qualifikation einer Kernbelegschaft und das technische Know-how zu erhalten.
Die Erhaltung von Kapazitäten der Kohleproduktion wird so eine Fortsetzung des
Betriebs der von den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
ausgewählten Schachtanlagen ermöglichen.
In der Regelung sind zu diesem Zweck Beihilfen zur
Sicherung der Ressourcen vorgesehen, die zur Deckung der Betriebsverluste von
Produktionseinheiten bestimmt sind, die zur Erhaltung des Zugangs zu den Steinkohlevorkommen
beitragen.
Produktionskapazitäten, deren Erhaltung im Interesse
der Energieversorgungssicherheit nicht gerechtfertigt ist, können maximal bis
zum 31. Dezember 2007 Beihilfen zur Rücknahme der Fördertätigkeit erhalten. Die
Maßnahmen zur Umstrukturierung und zur Rücknahme der Fördertätigkeit können
somit unter den bestmöglichen sozialen und regionalen Bedingungen durchgeführt
werden.
Im Vorschlag der Kommission sind außerdem Beihilfen
für außergewöhnliche Belastungen vorgesehen, die zur Deckung von Kosten bestimmt
sind, die mit der Rationalisierung und der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus
zusammenhängen, aber nicht die laufende Förderung betreffen (Altlasten).
Der mit der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus
verbundene Personalabbau muss im Rahmen eines sozialen Dialogs erfolgen, in den
alle Beteiligten einbezogen werden.
Eine Minimalproduktion an Steinkohle muss zum einen
zur Stärkung der Energieversorgungssicherheit der Union beitragen und zum anderen
die Strategie der Gemeinschaft für eine nachhaltige Entwicklung unterstützen.
In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass neben der Verbesserung
der Sicherheit und des Umweltschutzes bei der Bergbautätigkeit spürbare Fortschritte
bei der Förderung einer sauberen und effizienten Nutzung der Kohle erzielt werden
konnten, die eine echte Verringerung der Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen
ermöglicht haben.
Die von der Kommission vorgeschlagene Beihilferegelung
enthält strenge Vorschriften, die Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Käufern
und den Verbrauchern von Kohle in der Gemeinschaft verhindern und dadurch die
Auswirkungen dieser Beihilfen auf den Elektrizitätsmarkt möglichst weitgehend
begrenzen sollen.
(1) Entscheidung Nr. 3632/93/EGKS der Kommission über die Gemeinschaftsregelung
für staatliche Beihilfen zugunsten des Steinkohlenbergbaus, ABl. L 329 vom
30.12.1993, S. 12
(2) Europäische
Gemeinschaft für Kohle und Stahl
(3) KOM
(2000) 769 endg.
(4) KOM
(2000) 279, ABl.