Presseerklärung der EU-Kommission

 

IP/01/1080

 

Brüssel, den 25. Juli 2001

 

Auslaufen des EGKS-Vertrags:

Kommission schlägt neue Regelung für staatliche Beihilfen im Steinkohlenbergbau vor

 

Die Regelungen der Mitgliedstaaten für staatliche Beihilfen zugunsten des Steinkohlenbergbaus(1) enden mit dem EGKS-Vertrag (2) am 23. Juli 2002. Mit Blick auf das Ziel der Stärkung der Energieversorgungssicherheit der Europäischen Union schlägt die Kommission heute Maßnahmen vor, die mit der Schaffung eines Sockels heimischer Primärenergieträger durch die Mitgliedstaaten in Zusammenhang stehen. Ein solcher Primärenergiesockel bedingt auch die Förderung oder die Erhaltung heimischer Energieträger in der Gemeinschaft, insbesondere der erneuerbaren Energien und der Steinkohle. Der von der Kommission verabschiedete Vorschlag für eine Verordnung des Rates enthält in diesem Kontext Vorschriften, mit denen die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zugunsten des Steinkohlenbergbaus nach dem Ende des EGKS-Vertrags geregelt werden sollen. «Es ist wichtig, dass wir in den kommenden Jahren eine europäische Produktion von Primärenergieträgern erhalten, um uns gegen die Risiken einer zu starken Abhängigkeit von einer externen Versorgung abzusichern,» erklärte Loyola de Palacio, Vizepräsidentin der Kommission und zuständig für Energie und Verkehr. «Die Europäische Gemeinschaft darf ihre technische Kompetenz und ihre Handlungsfähigkeit nicht verlieren: sie muss die Voraussetzungen für eine potenzielle Verfügbarkeit der Steinkohle schaffen, die zusammen mit Maßnahmen zur Förderung der erneuerbaren Energien eine größere Unabhängigkeit Europas bei der Energieversorgung gewährleisten wird,» unterstrich sie.

 

Notwendigkeit eines Primärenergiesockels

 

Die Europäische Union ist bei der Versorgung mit Primärenergie immer stärker von Einfuhren abhängig geworden. Wie die Kommission in ihrem Grünbuch über eine europäische Strategie für die Energieversorgungssicherheit(3) darlegte, kann die Sicherheit der Energieversorgung durch eine Diversifizierung der Energieträger nach Herkunft sowie nach Produkten gestärkt werden. Eine solche Strategie schließt auch die Entwicklung heimischer Primärenergieträger ein.

 

Das Grünbuch über die Sicherheit der Energieversorgung unterstreicht in diesem Zusammenhang das Potenzial der erneuerbaren Energieträger, die bisher nicht ausreichend entwickelt sind. In Anbetracht ihrer Vorteile auch im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit hat die Kommission am 10. Mai 2000 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt verabschiedet(4).

 

Bei einer Strategie zur Stärkung der Energieversorgungssicherheit ist jedoch auch die Zukunft der gemeinschaftlichen Kohle zu berücksichtigen. In diesem Kontext wird im Grünbuch vorgeschlagen, «die Frage zu prüfen, ob der weitere Zugang zu den gemeinschaftlichen Kohlereserven aufrechterhalten und zu diesem Zweck minimale Produktionskapazitäten beibehalten werden sollten».

 

Ein neuer Rahmen für staatliche Beihilfen im Steinkohlenbergbau

 

Um einen Rahmen für die Zukunft der gemeinschaftlichen Kohle zu schaffen, hat die Kommission heute auf Vorschlag ihrer Vizepräsidentin Loyola de Palacio einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau nach dem Ende des EGKS-Vertrags angenommen.

 

Trotz aller Anstrengungen zur Modernisierung, Rationalisierung und Umstrukturierung ist der größte Teil der gemeinschaftlichen Steinkohleproduktion gegenüber den Einfuhren aus Drittländern nicht wettbewerbsfähig. Die Einbeziehung der gemeinschaftlichen Steinkohle in ein Konzept zur Verringerung der Risiken bei der Primärenergieversorgung der Union setzt daher voraus, dass die Mitgliedstaaten für diesen Sektor Beihilfen gewähren können. Diese Beihilfen werden die Erhaltung eines Zugangs zu den Steinkohlevorkommen ermöglichen und tragen somit dazu bei, dass bestimmte Kapazitäten der gemeinschaftlichen Kohleproduktion verfügbar bleiben, um etwaige Unwägbarkeiten des Energiemarktes langfristig abzufedern.

 

Die Erhaltung einer Minimalproduktion an subventionierter Steinkohle aus Gründen der Energieversorgungssicherheit kann jedoch kein Abrücken von dem Prozess der Umstrukturierung und der Produktionsverringerung bedeuten, der den gemeinschaftlichen Steinkohlenbergbau in den letzten Jahrzehnten geprägt hat. Dieser Prozess muss zur schrittweisen Stilllegung der unwirtschaftlichsten Schachtanlagen führen, die nicht zu vertretbaren Kosten zum Ziel der Energieversorgungssicherheit beitragen können.

 

Der Abbau der Beihilfen im Steinkohlenbergbau wird den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer budgetären Möglichkeiten eine Neuverteilung der Beihilfen für den Energiesektor ermöglichen, und zwar nach dem Grundsatz einer allmählichen Umschichtung der Beihilfen, die traditionell den konventionellen Energien, insbesondere der Steinkohle, gewährt wurden, auf die erneuerbaren Energiequellen.

 

Der Kommissionsvorschlag enthält Maßnahmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass diese notwendige Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus unter den bestmöglichen sozialen und regionalen Bedingungen stattfindet.

 

Bewertung nach der Hälfte der Laufzeit

 

Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung gilt ab dem 24. Juli 2002 und endet am 31. Dezember 2010. Sie wird jedoch im Jahr 2007 einer Bewertung durch die Kommission unterzogen, bei der die Kommission dem Rat Änderungsvorschläge zur Anwendung dieser Verordnung auf Beihilfen ab dem 1. Januar 2008 unterbreiten kann. Bei dieser Gelegenheit legt die Kommission außerdem eine Übersicht über die Anteile der verschiedenen heimischen Primärenergieträger in den einzelnen Mitgliedstaaten vor. Die Kommission bewertet, inwieweit der Sockel heimischer Primärenergieträger und insbesondere der Anteil der heimischen Steinkohle im Kontext der Strategie einer nachhaltigen Entwicklung wirksam zur Stärkung der langfristigen Energieversorgungssicherheit der Europäischen Union beiträgt. Die Kommission muss ferner den mit der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus verbundenen sozialen und regionalen Aspekten Rechnung tragen.

 

 

 

 

ANHANG: WICHTIGSTE GRUNDSÄTZE DER NEUEN REGELUNG

 

Die von der Kommission vorgeschlagene Regelung stützt sich auf zwei Grundprinzipien: Schaffung eines Sockels heimischer Primärenergieträger durch Erhaltung des Zugangs zu den Steinkohlevorkommen und Fortsetzung des Prozesses der Umstrukturierung. Die Regelung wurde ferner mit dem Ziel entwickelt, die Kohärenz mit anderen Bereichen der Gemeinschaftspolitik zu gewährleisten.

 

Erhaltung des Zugangs zu den Steinkohlevorkommen

 

Die Mitgliedstaaten erstellen einen Plan zur Sicherung der Steinkohleressourcen, um eine funktionsfähige Infrastruktur, die fachliche Qualifikation einer Kernbelegschaft und das technische Know-how zu erhalten. Die Erhaltung von Kapazitäten der Kohleproduktion wird so eine Fortsetzung des Betriebs der von den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgewählten Schachtanlagen ermöglichen.

 

In der Regelung sind zu diesem Zweck Beihilfen zur Sicherung der Ressourcen vorgesehen, die zur Deckung der Betriebsverluste von Produktionseinheiten bestimmt sind, die zur Erhaltung des Zugangs zu den Steinkohlevorkommen beitragen.

 

Fortsetzung des Umstrukturierungsprozesses im Steinkohlenbergbau

 

Produktionskapazitäten, deren Erhaltung im Interesse der Energieversorgungssicherheit nicht gerechtfertigt ist, können maximal bis zum 31. Dezember 2007 Beihilfen zur Rücknahme der Fördertätigkeit erhalten. Die Maßnahmen zur Umstrukturierung und zur Rücknahme der Fördertätigkeit können somit unter den bestmöglichen sozialen und regionalen Bedingungen durchgeführt werden.

 

Im Vorschlag der Kommission sind außerdem Beihilfen für außergewöhnliche Belastungen vorgesehen, die zur Deckung von Kosten bestimmt sind, die mit der Rationalisierung und der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus zusammenhängen, aber nicht die laufende Förderung betreffen (Altlasten).

 

Der mit der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus verbundene Personalabbau muss im Rahmen eines sozialen Dialogs erfolgen, in den alle Beteiligten einbezogen werden.

 

Kohärenz mit den anderen Bereichen der Gemeinschaftspolitik

 

Nachhaltige Entwicklung

 

Eine Minimalproduktion an Steinkohle muss zum einen zur Stärkung der Energieversorgungssicherheit der Union beitragen und zum anderen die Strategie der Gemeinschaft für eine nachhaltige Entwicklung unterstützen. In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass neben der Verbesserung der Sicherheit und des Umweltschutzes bei der Bergbautätigkeit spürbare Fortschritte bei der Förderung einer sauberen und effizienten Nutzung der Kohle erzielt werden konnten, die eine echte Verringerung der Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen ermöglicht haben.

 

Wettbewerb

 

Die von der Kommission vorgeschlagene Beihilferegelung enthält strenge Vorschriften, die Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Käufern und den Verbrauchern von Kohle in der Gemeinschaft verhindern und dadurch die Auswirkungen dieser Beihilfen auf den Elektrizitätsmarkt möglichst weitgehend begrenzen sollen.

 

(1)   Entscheidung Nr. 3632/93/EGKS der Kommission über die Gemeinschaftsregelung für staatliche Beihilfen zugunsten des Steinkohlenbergbaus, ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 12

 

(2)   Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

 

(3)   KOM (2000) 769 endg.

 

(4)   KOM (2000) 279, ABl.