Harald H. Zimmermann

 

Fürstenhausen - ein Dorf wehrt sich gegen den Untergang

 

D66ZFH2.htm 2001-02-17  (I)

 

Es gibt sicherlich Schlimmeres auf der Welt als der von der Deutschen Steinkohle AG (DSK) aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen in Kauf genommene Untergang eines kleinen Dorfes im Saarland: Fürstenhausen, ein Ortsteil der Stadt Völklingen, ist dem baulichen Tod geweiht, nachdem das Oberbergamt für das Saarland und das Land Rheinland-Pfalz am 16. Januar 2001 den 'Rahmenbetriebsplan mit Umweltverträglichkeitsprüfung für den geplanten Abbau in den Flözen 1 bis 4, Westfeld, 8. Sohle' des Bergwerks Warndt / Luisenthal mit einigen Auflagen genehmigt hat. Der Kohleabbau findet unter bewohntem Gebiet statt und setzt dabei das fort, was schon bei bisherigen Genehmigungen der Fall war: Zerstörung von Häusern, Angst und Schrecken bei den betroffenen Bürgern, Unruhe und Lärmbelästigung bei notwendigen Sicherungsmaßnahmen ...

 

Ja, es gibt Schlimmeres auf der Welt, aber wir leben nun einmal hier, und wir müssen erfahren, wie etwas volkswirtschaftlich absolut Nutzloses geschieht: Die Kohleförderung in Deutschland ist längst nicht mehr rentabel, jeder weiß zudem, dass der Bergbau in unserem Land dem Ende entgegengeht. Die Bundesrepublik subventioniert in extrem hohen Maße den verbliebenen Kohleabbau an der Ruhr und an der Saar in der durchaus schätzenswerten Fürsorge gegenüber den Menschen, die heute noch im Bergbau tätig sind und ohne diese Beschäftigung in eine ungewisse Zukunft entlassen wären. Man will diesen Montanbereich im 'Gleitflug' und nicht im 'Sturzflug' schließen, d.h. eher mittelfristig auslaufen lassen.

 

Doch jetzt kommt die Schizophrenie: Man kann Kohle irgendwo fördern (ob betriebswirtschaftlich mehr oder weniger rentabel oder nicht), aber die DSK als Unternehmen verfolgt dabei eine Strategie, die eine Pseudo-Rentabilität als Maßstab nimmt: Der Schließungsprozess folgt der Logik, dass zunächst die - relativ gesehen - am wenigsten 'rentablen' Bergwerke geschlossen werden. Alle Bergwerke machen Verluste, doch einige machen eben weniger Verluste als andere. Da sich im sog. 'Westfeld' unter Fürstenhausen Kohlevorräte (etwa noch 17 Mio. Tonnen) befinden, die - bergbautechnisch gesehen - mit weniger Aufwand erschlossen und abgebaut werden können, ist also der betriebswirtschaftliche Verlust geringer als anderswo: Daher der Antrag, in den nächsten 3 - 4 Jahren diese Kohle zu fördern, dann ist sowieso weitgehend 'Schluss' ... Doch den letzten beißen eben die Hunde.

 

Natürlich überblickt das rechtlich zuständige Oberbergamt in Saarbrücken diese Situation. Es weiß auch, dass allzu große Auflagen zur Reduktion der Bergschäden die Wirtschaftlichkeit des Bergwerks Warndt / Luisenthal ernsthaft gefährden würden. Ein 'altbewährtes' Mittel, der sog. Blasversatz, würde nach den gutachterlichen Stellungnahmen die Schäden an den Häusern gegenüber dem sog. Bruchversatz um bis zu 50 % reduzieren. Dann wäre aber nicht nur (wie die Experten-Gutachten mutmaßen) der Abbau des Westfelds von der Kostenseite her kaum mehr tragbar, sondern die Rentabilität des gesamten Bergwerks Warndt / Luisenthal in Gefahr, mit anderen Worten: man könnte das Bergwerk praktisch gleich komplett schließen (was übrigens auch erhebliche Kosten verursachen wird. Aber diese kommen ja in jedem Fall - wenn auch etwas später - auf alle zu).

 

Wenn dieser Stopp des Kohleabbaus unter Fürstenhausen nicht sofort erfolgt, werden andererseits nahezu alle Bewohner des Dorfes in den nächsten Jahren nicht mehr zur Ruhe kommen. Wer nicht glaubt, was der Bergbau dabei alles anrichten kann, der kann sich heute schon ein eigenes Bild machen: Häuser, die gestützt, verpresst, gehoben werden, Menschen, die in Containern wohnen, Alte, die aus ihrer Umgebung in ihren letzten Lebensjahren herausgerissen werden, viele, die Angst vor der Zukunft haben. Niemand kann in diesem Dorf noch über etwas Anderes reden als über die Schäden, die dieser Kohleabbau unter dem Dorf verursacht hat und in noch ungeahntem Maße weiter verursachen wird.

 

Jeder Fürstenhausener sieht natürlich ein, dass man die Bergleute nicht im Regen stehen lassen kann. Dazu sind alle zu sehr mit dem Bergbau verwurzelt. Jeder Bergmann weiß aber auch, dass es - wie in unmittelbarer Nähe in Frankreich schon vorgeführt - so oder so an der Saar bald mit dem Kohleabbau vorbei sein wird. Die Argumentation mancher Gutachter, die Erhaltung des nationalen Bergbaus sei eine energiepolitische Notwendigkeit, verrät ein längst überholtes Denken: Wenn es wirklich zu einer Energiekrise käme, wäre die inländische Kohle wohl das letzte Problem.

 

Das Argument (auch der saarländischen Landesregierung), durch die Erhaltung des Bergbaus würden schließlich (knapp 3.000) Arbeitsplätze allein im Bergbau gesichert, wäre dann tragfähig, wenn diese Erhaltung - wie dies bei einer Wirtschaftsförderung normalerweise sinnvoll ist - eine Chance für eine Wieder-Erholung oder Investitionen böte: Die zwangsweise Erhaltung der Kohleförderung durch eine hohe Subventionierung praktisch bis zum bitteren Ende ist jedoch noch weniger sinnvoll als jede Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsmaßnahme, die dem Einzelnen wenigstens die Chance bietet, aus der Misere herauszukommen. Manche Fürstenhausener haben dabei nicht vergessen, dass man bei der Schließung der Völklinger Hütte weitaus weniger zimperlich war, obwohl sich 1986 viele Menschen, auch solche, die knapp über 50 Jahre waren, plötzlich im sog. 'Vorruhestand' wiederfanden.

 

Dennoch: den Bergleuten rechnet es auch kein 'vernünftiger' Fürstenhausener an, dass sie ihrem Beruf nachgehen, so lange es geht: Auch dabei geht es um Familienschicksale. Seinen Zorn an den Bergleuten auszulassen ist der falsche Weg, ganz zu schweigen von Drohungen und Diffamierungen. In Fürstenhausen weiß man nur zu genau, dass bei dem großen Grubenunglück vor fast 40 Jahren auf der Grube Luisenthal 300 Bergleute ihr Leben ließen, darunter auch Fürstenhausener Bürger.

 

Es gibt aus der Sache nur einen Ausweg: sofortiger Stopp des Kohleabbaus unter bewohntem Gebiet, und zwar durch umgehende politische Maßnahmen und Entscheidungen. Es wird der Bundesregierung nicht schwer fallen, bezüglich dieses - bundesweit gesehen bescheidenen - Problems in ihrer Subventionspolitik etwas umzudenken, zumal die Europäische Union ihr dies sicherlich honorieren wird. Besser ein betriebswirtschaftlich etwas unwirtschaftlicherer Kohleabbau als diese menschenverachtende Verfahrensweise. Auch die Landespolitik ist hier gefordert, faule Kompromisse nach dem Motto 'wenn wir das Westfeld Fürstenhausen noch kriegen, dann werden wir das Alsbachfeld in Ruhe lassen') können als Lösung nicht akzeptiert werden.

 

Jedenfalls ist Eines allen klar zu machen: Und wenn alle Germanen und Römer sich verschwören sollten: irgendwo existiert ein kleines Dorf, das nicht aufgeben wird, gegen Dummheit und Dreistigkeit zu kämpfen, und vielleicht ist der Geist von Asterix ja hier zu finden ...