FULKO
Fürstenhausen-Völklinger
Union
zur Limitierung
des Kohlebergbaus unter bewohntem Gebiet
IGBCE
verdreht ‚Fakten und Tatsachen’ über den saarländischen Steinkohlebergbau
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie
(IGBCE) – Bezirk Saarbrücken – hat ein Flugblatt mit dem Titel ‚Fakten und
Tatsachen über den saarländischen Steinkohlebergbau’ herausgebracht, das
nicht unwidersprochen hingenommen werden kann. Im Folgenden werden die einzelnen
Argumentationen aufgeführt und kommentiert.
· Argumentation der IGBCE: Die Absatzhilfen für den Steinkohlebergbau in
Deutschland machen gerade mal 3,3 % (5 Mrd. €) am gesamten Subventionsvolumen
aus und dieser Anteil sinkt bis 2005 sogar auf 1,7 %.
Richtigstellung von Fulko: Es ist kein legitimes Verfahren,
die Subventionspolitik in anderen Bereichen (die ggf. auf anderer Grundlage
steht) als Argument für Steinkohlesubventionen
heranzuziehen. Es gibt eben – und das sehen die Bergbau-Geschädigten so und
nicht anders – andere Möglichkeiten,
das Geld des Steuerzahlers zu verwenden, etwa zu Umstrukturierungsmaßnahmen.
Die Steinkohle-Subventionen stellen letztendlich eine einmalige und riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
dar, deren generelle Wirkung man inzwischen auch anderweitig als nicht sehr
nützlich einzusehen beginnt, nichts anderes.
· Argumentation der IGBCE: Der Steinkohlebergbau und sein direktes Umfeld sichert
166.000 (1998) Arbeitsplätze. Davon sind im Saarland rund 28.000.
Richtigstellung von Fulko: Es ist interessant, dass im Jahr 2002 mit Zahlen
von 1998 argumentiert und nicht auf Zahlen von 2001/2002 (noch besser wäre
2005) zurückgegriffen wird. Dass 2005 im Saarland aller Wahrscheinlichkeit nach
– auch nach den bisherigen abgestimmten Planungen – etwa nur noch die Hälfte
der derzeit (2002) im Bergbau Beschäftigten vorhanden sein wird, relativiert
diese ‚Fakten’ erheblich. Ein sozialverträgliches Auslaufen des Steinkohlebergbaus
in Deutschland ist angesichts der durch entsprechende Studien der Kommission
der Europäischen Union belegten Fakten die einzige Alternative, alles Andere
ehrt die IGBCE als Interessenvertreterin der Bergleute sicherlich, ist aber
kurzsichtig.
· Argumentation der IGBCE: Den Kohlesubventionen von 5 Mrd. € müssen ein
Steueraufkommen des Steinkohlebergbaus von 3,7 Mrd. € gegengerechnet werden (hierbei ist das Steueraufkommen
der vom Bergbau abhängigen Wirtschaftsbereiche nicht mit berücksichtigt).
Richtigstellung von Fulko: Wie Gutachten ausweisen, hat das Festhalten am
Steinkohlebergbau frühzeitige Umstrukturierungsmaßnahmen sowohl ‚praktisch’ wie
finanziell behindert. Völklingen – um ein Beispiel zu geben – ist ausweislich
eines Gutachtens im Zusammenhang mit der Genehmigung des Rahmenbetriebsplans
für das Westfeld des Bergwerks Warndt-Luisenthal 2001 aufgrund blockierter und
durch den Bergbau gefährdeter Gewerbeflächen 20 Jahre hinter der durchschnittlichen
Entwicklung im Saarland (!) zurück und würde bei Beibehaltung der Abbaupläne
weitere 10 Jahre hinter den Durchschnitt zurückfallen. Die Rechnung der IGBCE
ist daher nichts anderes als eine Milchmädchenrechnung.
· Argumentation der IGBCE: Die DSK vergibt an ca. 1.100 saarländische Unternehmen
Aufträge im Wert von 314,8 Millionen DM.
Richtigstellung von Fulko: Darin sind wohl die über 100 Millionen DM an Aufträgen
mit eingerechnet, die jährlich durch die Behebung von Bergschäden und prophylaktische
Sicherungsmaßnahmen an Gebäuden entstehen. Wie sagte doch diesbezüglich (sinngemäß)
Herr Starzacher (RAG) bei seinem letzten Besuch in Fürstenhausen: Wenn es nicht
die Menschen beträfe, trüge doch die DSK ja mit ihren Schadensregulierungsaufträgen
zur wirtschaftlichen Entwicklung im Saarland bei. Mag sich jeder seine Meinung
dazu bilden …
· Argumentation der IGBCE: Bei einer Schließung der Gruben kämen auf die Kraftwerke
an der Saar zusätzliche Transportkosten in Höhe von ca. 10 DM / Tonne hinzu und
somit würden die Strompreise steigen und sie wären in ihrer Konkurrenzfähigkeit
gefährdet. Dies könnte bis zur Stilllegung führen.
Richtigstellung von Fulko: Statt die
Tonne Steinkohle mit 200 DM zu subventionieren könnte man ja dann die 10 DM den
Kraftwerken als Ausgleichssubvention (vorübergehend) zuschießen, dann würden
immer noch 190 DM / Tonne (= 4,9 Mrd. €) pro Jahr an Steuergeldern eingespart.
Kraftwerke haben jedoch in Zukunft ganz andere Probleme im Wettbewerb zu bewältigen.
Dass es bei einer Schließung der saarländischen Bergwerke zu Anpassungsproblemen
kommen wird, bezweifelt niemand; aber gerade dazu werden von der Europäischen
Union ausdrücklich Hilfen vorgesehen bzw. erlaubt.
· Argumentation der IGBCE: Bei einer Schließung der Gruben kämen auf die Stahlindustrie
zusätzliche Transportkosten in Höhe von ca. 10 DM / Tonne hinzu. Somit wäre die
saarländische Stahlindustrie in ihrer Konkurrenzfähigkeit gefährdet.
Richtigstellung von Fulko: Hier gilt das zum vorigen Punkt Gesagte analog. Die
Stahlindustrie muss zudem heute schon Importkohle in erheblichem Maße einbeziehen;
eine logistische Umstellung erfordert Zeit (und Kosten), ist aber machbar.
· Argumentation der IGBCE: Der Bergbau an der Saar stellt für rund 450 junge
Menschen Ausbildungsplätze zur Verfügung.
Richtigstellung von Fulko: Niemand – auch nicht bei den Bergbau-Betroffenen –
bestreitet die anerkannte Qualität der Ausbildungsstätten der DSK. Die Ausbildungsrichtungen
weisen aber nahezu ausnahmslos aus dem Bergmanns-Kernberuf (unter Tage)
hinaus. Bergmann unter Tage zu werden ist also keine ‚tolle Perspektive’ mehr,
eine Ausbildung bei der DSK andererseits eine gute Referenz. Das sollte man einfach
trennen. Dazu noch ein reales Beispiel: Mutter
eines Auszubildenden (Ehemann ist Bergmann): Mein Sohn hat sich 100x beworben
und ist nur bei der DSK angenommen worden. Frage:
Was macht er nach der Ausbildung?: Antwort:
Er geht zum ‚Bund’. Frage: Und danach?
Antwort: Dort bleibt er …
· Argumentation der IGBCE: Saarländische Unternehmen der Bergbautechnik können
bei einer Schließung ihre Bergwerkstechnologien nicht mehr betriebsnah entwickeln.
Sie müssten wohl abwandern.
Richtigstellung von Fulko: Diese Argumentation
hat ja auch – und in weitaus höherem Maße - für das Konkurrenzprodukt Kernenergie gegolten und hat nicht verhindert,
dass man dort einvernehmlich (mit den Gewerkschaften) ein Auslaufen beschlossen
hat. Würde man beispielsweise im Saarland (mit staatlicher Unterstützung, dies
sieht ja die EU-Kommission in ihrem Steinkohlekonzept 2007 / 2010 ausdrücklich
vor) verstärkt auf den Ausbau der Nutzung alternativer und regenerativer Energien
setzen, ergeben sich neue technologische
Felder, die findige und flexible Ingenieure erfordern. Chancen, die heute verbaut
sind …
· Argumentation der IGBCE: Dem Saarland gingen 330 Millionen DM an Kaufkraft,
nur alleine durch die im Bergbau Beschäftigten, verloren.
Richtigstellung von Fulko: Diese Rechnung gilt nur für den Fall, dass die Beschäftigten
‚ersatzlos’ und auf Dauer als Konsumenten aus der Kaufkraft-Bilanz herausgerechnet
werden. Sieht man davon ab, dass (ältere) Arbeitslose dem Arbeitsmarkt nicht
mehr zur Verfügung stehen (aber dennoch am Konsum beteiligt sind), bieten sich
– verwendet man die eingesparten Subventionsgelder zur raschen wirtschaftlichen
Umstrukturierung – gerade neue Chancen für Arbeitsplätze und damit auch zur Entwicklung
und Stärkung der Kaufkraft.
Um es deutlich zu sagen: Jahrelang haben die Bergbau-Betroffenen
akzeptiert, dass Bergbau – da aus Gründen der Deckung des Energiebedarfs
notwendig – zu Oberflächenschäden am Privateingentum führt. Zudem hat der gesetzliche
Rahmen (dies gilt bis heute) eine Regulierung der Schäden durch das Bergbau-Unternehmen
vorgeschrieben. Dass dies heute nicht mehr akzeptierbar ist, hat zwei Gründe:
- Es ist nicht einsehbar, dass ein Bergbau aus arbeitsmarktpolitischen Gründen auf
Dauer aufrechterhalten wird, obwohl aus energiepolitischen
Gründen keine Notwendigkeit mehr besteht und er ausweislich aller Fakten in
Deutschland (Europa) auf unabsehbare Zeit nur durch erhebliche staatliche Subventionen
am Leben erhalten werden kann. Das ist Planwirtschaft nach DDR-Vorbild und
keine Marktwirtschaft.
- Der mit den Subventions-Auflagen verbundene
erhebliche Rationalisierungszwang führt zu Abbaumethoden (Bruchbau statt
Versatzbau), die (unabhängig von ihrem Wirkungsgrad – liegt dieser nun bei 30
oder 50 % Schadensminderung bei den Auswirkungen an der Oberfläche –) die Schäden
gegenüber ‚früher’ noch vergrößern, einmal ganz abgesehen von Fällen wie Walsum
/ Niederrhein, wo durch Abbau unter dem Rhein ‚Ewigkeitsschäden’ entstehen. Die
Bergbau-Betroffenen fühlen sich daher als die ‚Letzten, die noch die Hunde beißen’.
Niemand bei den Bergbau-Betroffenen, der emotionslos an die Problematik herangeht,
kann den Bergleuten und ihren Familien einen Vorwurf machen. Hier geht es um
Existenzfragen. Dass sich die IGBCE hinter ihre Leute stellt, ist natürlich. Damit
werden aber die Argumente nicht richtig. Der Vorwurf geht in erster Linie
an die Politik, die – statt endlich die Konsequenzen zu ziehen – weiter an der
bequemen gigantischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ‚Steinkohlesubventionen’ festhält.
Hier muss schnellstmöglich umgedacht werden. Der Beschlussantrag der EU-Kommission
ist ein guter Ansatz.
Jeden
Saarländer und jede Saarländerin, die im Montanbereich groß geworden sind (dazu
gehören auch die heutigen Bergbau-Betroffenen) muss eine gewisse Wehmut beschleichen,
wenn sie diese Entwicklung sehen. Alle waren wir stolz auf unsere Bergleute,
das Grubenunglück von Luisenthal 1962 mit knapp 300 Toten ist allen Älteren
noch in Erinnerung.
Planwirtschaft ist aber keine Lösung. Daran sind schon ganze politische
Systeme zerbrochen. Neues Denken und neuer Mut sind gefordert, Deutschland muss
endlich in Europa wieder bereit sein, an Innovationen mitzuwirken, und nicht
länger auf ‚Wahrung des Besitzstandes’ beharren. Niemand will die Bergleute
dabei im Regen stehen lassen. Wenn man aber die notwendigen Entwicklungen weiter
blockiert, sind letztendlich beide Seiten (Bergbau-Betroffene und Bergleute) die Leidtragenden.
Verantw. i.S.d.P.
Prof. Dr. Harald H. Zimmermann, Lauterbacherstr. 60, 66352 Großrosseln. April
2002